Kontraktstrategie mit Mandanten oder warum ich im Mandantengespräch als Moderatorin gefragt bin
Ein Mandant kommt zu mir, hat Streit mit der Behörde über seine Einbürgerung und beauftragt mich – soweit alles klar und einfach. Ich soll ihm zu seiner Einbürgerung verhelfen, mithilfe meiner Methoden und Techniken und Hilfsmittel (und ggf. auch ein bisschen mit der eigenen Persönlichkeit, durch ein bestimmtes Auftreten bei den „Kollegen“ in der Behörde). Juristisch gesehen, schon nicht mehr so einfach: wir dürfen keinen Erfolg versprechen. Aber darauf will ich nicht hinaus.
Im Verlaufe meiner Tätigkeit kommt der Mandant zwei oder dreimal zu einem Gesprächstermin. Wir erörtern die bisherigen Ergebnisse, legen fest, welche weiteren Hilfsmittel wir einsetzen (Schriftsatz mit neuen Kopien zum Nachweis von…). Und verständigen uns über den weiteren Ablauf – immer rollende Planung.
DOCH DANN zückt der Mandant, sozusagen schon während er seine Jacke anzieht und ich ihn freundlich verabschiede, noch ein Schreiben aus der Tasche: den Mahnbescheid eines Mobilfunkanbieters. Ob ich ihm dabei kurz einen Ratschlag geben könne…?
Ok, damit wären wir auch beim Selbstverständnis einer Rechtsanwältin, die einerseits natürlich „mal eben schnell einen Blick werfen kann“ und damit unbürokratisch hilft. ABER: Darf ich das wirklich so auf die leichte Schulter nehmen? Muss ich nicht genauer prüfen: Hier sind enge Fristen zu beachten, ggf. eine Meldung bei der Versicherung, etc. pp. Besteht die Forderung zu Recht? Was ist da in der Vergangenheit passiert? Gab es unbeantwortete Mahnungen seitens eines Inkassounternehmens?
Und damit sind wir dann auch im Kern der Kontraktstrategie (K1 und K2):
Ist dies so mit mir vereinbart worden? Muss ich an dieser Stelle nicht deutlich machen: Hierfür brauchen wir ein weiteres Gespräch, einen neuen Termin, eine neue Festlegung der Zielsetzung, der Vorgehensweise und der Hilfsmittel (nicht ganz so unwichtig, wenn das neue Projekt dann doch nicht so zwischen Tür und Angel abzuarbeiten ist: die Bezahlung meiner Tätigkeit…).
Und das Vorgehen des Mandanten ändert sich nicht. Auch beim nächsten Gespräch über das Ursprungsprojekt kommt er mit einer weiteren, neuen Zielsetzung. Jetzt geht es ihm um einen Mangel in seiner Wohnung.
Ich nenne dies ein Amöbenmandat*
— es ändert ständig seine Form und seine Inhalte, und wenn ein bestimmter Projektschritt getan ist und eigentlich ein Resümee über das Erreichte zu ziehen wäre und die weitere Planung für die nächsten Schritte anstünde, dann ist auf einmal wieder alles ganz anders. Wir sind wieder am Anfang, es gibt wieder eine neue Zielsetzung, ja und auch andere Methoden sollen einsetzt werden.
Da heißt es wachsam sein und immer wieder auf das zurückführen, was bisher Stand der Dinge war und gemeinsam geduldig eine neue Zielsetzung definieren, über die Vorgehensweise sprechen, über die Mittel…. da bin ich dann froh und dankbar, mich immer wieder an die dera-Inhalte und Methoden zu erinnern und auch ein wenig die Geduld trainiert zu haben, das auszuhalten!
* Der Ausdruck kommt von einer netten und äußerst kompetenten Kollegin hier in Bremen: Frau RAin Kindermann, die darauf jedoch keine Urheberrechte geltend macht.